Hohenhaus in Radebeul
 
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Geschichte des Hohenhauses

Unter der Ägide des reichen Berliner Wollgroßhändlers wurde der Weinberg in eine ausgedehnte Parkanlage umgestaltet mit verschlungenen Wegen, kleinen Teichen und wertvollen Gehölzen. Das Parkgelände mit der neu errichteten Gärtnerei zog sich bis an die Mittlere Bergstraße hin. Am Haus selbst wurde eine Rotunde als Sitzplatz für die Familie angelegt, eine Pergola trennte diesen neuen Gartenteil vom Weinberg. Standbilder wie der Winzer, der Jäger und zwei Schafe wurden aufgestellt. Zur Erinnerung an Frau Rosa Thienemann geborene Merz, die 1865 nach der Geburt ihres siebenten Kindes im Alter von dreißig Jahren gestorben war, entstand Rosa’s Ruh, eine Steinbank im Weinberg. Und auf der Höhe wurde die künstliche Ruine in Form eines alten Wachturmes errichtet. Die Fenstereinfassungen stammen vom alten Dresdner Opernhaus, das 1869 abgebrannt war. Ganz im Stile der Romantik sind auch das Muschelhäuschen und die Kapelle
gestaltet. Berthold Thienemann ließ das Hohenhaus restaurieren. Im Parterre erhielt es einen großen Speisesaal mit leicht gewölbter Decke und im ersten Stock eine Anzahl Gesellschaftsräume: ein Billardzimmer, ein Jagdzimmer, die Bibliothek, ein Empfangszimmer und den roten Damastsalon. Im zweiten Stock befanden sich die Schlafzimmer des Vaters, seines Sohnes Gottlob und der Töchter Frida (1854–1887), Olga
(1856–1933), Adele (1858–1932), Marie (1860–1914) und Martha (1862–1939).
„Für die heranwachsenden Kinder“, schreibt die Enkelin Gerhart Hauptmanns, Ingeborg Hauptmann (geb. 1923), „bot das Hohenhaus mit seinen großen Räumen, geheimnisvollen Kellern und trutzigen Mauern, boten die prachtvolle Lage mit Blick über das Elbtal und der herrliche Park mit Burggarten, Weiher, Wein- und Obstgärten und einem Tennisplatz alle Voraussetzungen für eine unbeschwerte, glückliche Jugend. Die notwendige Schulzeit verbrachten die Mädchen in einem Internat der Herrnhuter Brüdergemeinde in Neudietendorf, [südwestlich von Erfurt, M. A.]. Zahlreiche Briefe, die Marie in gestochener Schönschrift nach Hause schrieb, sind im Gerhart-Hauptmann-Museum in Erkner erhalten und harren der Erschließung. Die Herrnhuter Schulzeit hat Marie zwiefach geprägt: Sie hat sie unduldsam gemacht gegen jede Art von Pietismus und Scheinheiligkeit. Zugleich erwarb das Mädchen die Fähigkeit, auch durch Leidenszeiten hindurch sie selbst zu bleiben. Bleichsüchtig und kranken Herzens kehrte sie heim. Herangereift war Marie von aparter, eigenwilliger Schönheit. Blauschwarzes volles Haar umrahmte das weiße Oval ihres Gesichts, in dem die dunklen, oft in unbegreifliche Fernen schweifenden Augen geheimnisvoll glänzten.“ (Vgl. Das Lächeln der Lößnitz, 1999, S. 33–38).

 

Begonnen hatte die ganze wunderbare Hohenhaus-Episode, als Adele Thienemann im Sommer 1880 in Bad Salzbrunn zur Kur weilte und sich mit dem Kaufmann Georg Hauptmann verlobte. Ohne den Vater auch nur zu fragen, was nach damaligen Moralauffassungen als Ungeheuerlichkeit galt, teilte sie nur schriftlich und ganz lakonisch mit, sie habe sich verlobt. Und damit tanzte sie auch hinsichtlich der Altersfolge aus der Reihe; sie war ja erst die dritte der Thienemann-Schwestern, und weder Frida noch Olga, die beiden älteren, waren bisher unter der Haube. Was sollte man davon halten? Böse Zungen behaupteten, Mathilde Jaschke (gestorben 1901), die mütterliche Freundin von Schwester Johanna Hauptmann (1856–1943), habe etwas nachgeholfen, dass die Verbindung zustande kam. Und Vater Berthold Thienemann, was sollte er machen? Er hatte seine Kinder stets zur Selbständigkeit
und freien Entscheidung erzogen. Er fuhr nach Salzbrunn, um seinen künftigen Schwiegersohn kennen zu lernen. Aber er legte sich hinsichtlich seiner Zustimmung nicht fest. Natürlich blieb ihm nicht verborgen, wie es um die Finanzen im Hause Hauptmann bestellt war. Georg Hauptmann führte seit 1877 das Hotel „Zur preußischen Krone“, das er von seinem Vater in finanziell nicht sehr gutem Zustand übernommen hatte. Vater Berthold besuchte die Eltern Hauptmann in Sorgau, sprach auch mit Gerhart und interessierte sich für die Pläne des jungen Künstlers.Kein Wunder, dass auch Gerhart dem alten Herrn erhöhte Aufmerksamkeit darbrachte und dass Berthold Thienemann später auch in literarischen Texten Gerhart Hauptmanns immer wieder vorkommt. Im Abenteuer meiner Jugend (1937 im Druck erschienen) beschreibt Gerhart Hauptmann seine erste Begegnung mit Berthold Thienemann in Obersalzbrunn anlässlich eines Treffens, das von Helene Loß und Tante Jaschke ganz beiläufig und scheinbar absichtslos arrangiert worden war, um Gerhart als Wunderkind vorzuführen Und dann ging alles sehr schnell. Georg machte auf Hohenhaus seinen Antrittsbesuch. Am 1. Juli 1880 fand die Verlobung von Georg und Adele auf Hohenhaus statt. Vater Berthold kam krank von einem Aufenthalt auf der Insel Sylt zurück, wo er einen Schlaganfall erlitten hatte. Er starb am 23. Oktober 1880 auf Hohenhaus und wurde auf dem Friedhof Kötzschenbroda beigesetzt. Sein Porträt wurde von Theodor Hellwig (geb. 1815) gemalt, das Porträt Rosa Thienemanns stammt von Karl Piloty (1826–1886). Beide Bilder hängen heute in der imposanten Halle des Hauses. Onkel Hermann übernahm die Vormundschaft. Nach Ablauf des Trauerjahres konnten Georg und Adele
endlich heiraten. Als Gerhart Hauptmann am 24. September 1881 mit seinen Eltern und Geschwistern nach Zitzschewig ins Hohenhaus kam, um an der Hochzeit seines Bruders Georg mit Adele Thienemann