teilzunehmen, ging der Neunzehnjährige
gleichsam unbewusst selbst schon auf
Freiersfüßen. Sein Festspiel Liebesfrühling,
im Untertitel Ein lyrisches Gedicht genannt,
in dem er selbst den Winter, Marie den
Traumgott, Martha den Genius der Liebe,
Olga die Schwalbe, Lotte Hauptmann die
Nachtigall, Frida die Göttin der Erde, Adele
die Braut, Georg den Bräutigam, Carl die
Eiche und Gottlob hienemann den Rübezahl
spielte, wurde in der großen Halle von
Hohenhaus aufgeführt. Die erste Uraufführung
Gerhart Hauptmanns! Das Spiel
versinnbildlicht die Verwandlung des Winters
in den Frühling durch die Macht des Genius
der Liebe und trägt die Widmung: Seinen
theuren Geschwistern Adele und Georg in
Liebe gewidmet. Salzbrunn, im September
1881.
Marie Thienemann, die vierte der
Thienemann-Schwestern, hatte es Gerhart
angetan. Eigentlich war zu erwarten gewesen,
dass Carl Hauptmann sich mit Marie verlobte,
denn sie hatte ihn in Jena kennen gelernt,
und auf ihre Einladung hin hatte Carl Anfang
Januar 1881 seinen ersten Besuch auf
Hohenhaus gemacht. Marie ließ sich ihre
Enttäuschung nicht anmerken, als Carl sich
ihrer jüngsten Schwester Martha zuwandte
und sich mit ihr am 8. März 1881 verlobte.
Wegen des Trauerjahres wurde aber die
Verlobung nicht bekannt gegeben. Am
29. September 1881 bereits verlobten sich
Marie und Gerhart heimlich. Er berichtet inAbenteuer meiner Jugend von gemeinsamen
Ausflügen nach Dresden, von Opernbesuchen
mit Meyerbeers „Afrikanerin“ und
Verdis „Aida“ und der Gemäldegalerie, wo er
die Freundin vor die „Sixtinische Madonna“
von Raffael und andere Kunstwerke führte,
die er von Abbildungen aus dem Elternhaus
kannte. Sie streiften auch im Geschäftsviertel
und im Großen Garten umher. Und sie probten
gemeinsam ihre Rollen für das Festspiel.
Am 6. Oktober 1884 heirateten Carl
Hauptmann und Martha Thienemann vor
dem Standesamt Dresden. Das Hochzeitsessen
und die fröhliche Feier fanden auf Hohenhaus
statt. Nach einem Feuerwerk am frühen
Abend reiste das junge Paar über Berlin,
Köln und Straßburg nach Zürich. Weder
Martha noch Carl haben Hohenhaus danach
jemals wieder betreten. Und wieder hatte
Gerhart ein Festspiel verfasst. Es heißt
Der Hochzeitszug. Gerhart spielte darin den
Leichtsinn, der die Sorge vom heiter
bewegten Hochzeitszug fernhält. Es entstand
eine feinsinnige Dichtung mit starkem
Symbolgehalt.
Am 8. Oktober 1884 gaben Gerhart und
Marie ihre Verlobung offiziell bekannt. Am
5. Mai 1885 heirateten sie. Die Trauung
fand vor dem Standesamt Kötzschenbroda,
Harmoniestraße 3, statt, die kirchliche
Trauung in der Dresdner Johanneskirche, das
Hochzeitsessen im Belvedere auf der
Brühlschen Terrasse, denn Hohenhaus war
bereits verkauft worden. Danach verließen
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sie Dresden, verließen Hohenhaus, die Stätte
ihrer Jugend, ihres ersten Liebesglücks und
der folgenschweren Entscheidung für die
Dichtkunst. Die beiden ältesten Thienemann-
Töchter, Frida und Olga, erwarben
1885 ein kleines Haus in Kötzschenbroda,
Meißner Straße 1 (heute Nr. 288). Nach dem
Tode Fridas 1887 zog Olga nach Leipzig,
Funkenburgstraße 13.
Im literarischen Werk Gerhart Hauptmanns
ist Hohenhaus wiederholt und stets
liebevoll gewürdigt worden, so z. B. in Die
Jungfern vom Bischofsberg (1907, 1927 in
Dresden aufgeführt), Mary (1926), Die Hochzeit
auf Buchenhorst (1932), Das Abenteuer
meiner Jugend (1937).
Am 1. Mai 1885 wurde Hohenhaus verkauft.
Dank des Materials, das uns Herr Arvid
Brodersen, Hamburg, freundlichst zur
Verfügung gestellt hat, wissen wir nun
etwas mehr über den Lebenslauf und die
Verdienste des Mannes, der 1885 die Nachfolge
der Familie Thienemann als Besitzer
von Hohenhaus antrat: Dr. Walther Stechow,
geb. am 25.1.1852 in Jarchelin (Bezirk
Stettin), gest. am 17.12.1927 in Frankfurt/M.
Er war Generaloberarzt und Divisionsarzt
der II. Gardedivision in Berlin und hat sich
um die Einführung des Röntgen-Verfahrens
bei der medizinischen Betreuung des
preußischen Militärs verdient gemacht. 1903
veröffentlichte er das Buch „Das Röntgen-
Verfahren mit besonderer Berücksichtigung
der militärischen Verhältnisse“. Größerewissenschaftliche Reisen unternahm er nach
England, Frankreich, Schweden, Norwegen,
Italien, Spanien, Russland, Kleinasien,
Marokko und Nordamerika. Er nahm an
internationalen medizinischen Kongressen in
Rom, Moskau, Madrid und Paris teil und
veröffentlichte zahlreiche Aufsätze zum
Thema Röntgenfotografie. Berühmt wurde
er durch seine Untersuchungen rätselhafter
Veränderungen und krankhafter Zustände
am Fußrücken, der sogenannten „Marschgeschwulst“.
In Anerkennung seiner wissenschaftlichen
Arbeit wurde er vielfach
ausgezeichnet und mit Orden dekoriert.
Stechow war unter anderem Ritter der
französischen Ehrenlegion, Träger des Ritterkreuzes
des sächsischen Albrechtsordens
und des schwedischen Nordstern-Ordens,
weiterhin Mitglied vieler wissenschaftlicher
Gesellschaften. Er war seit Mai 1881 verheiratet
mit Clara Marie Stechow geb. von
Janson (1857–1937). Sohn Eberhard Stechow,
geb. am 21.3.1883 in Berlin, gest. am
1.8.1959 in München, war Professor der
Geographie und Zoologie, verheiratet mit
Elsa geb. Oswald. Aus dieser Ehe gingen drei
Kinder hervor: Egmund, Jan und Erdmuthe.
In der Ära Stechow wurden mehrere
Neuerungen und Veränderungen am Hohenhaus
vorgenommen: es wurde ein zweites
Gewächshaus errichtet und eine Rosenterrasse
angelegt. Es wurde ein Maschinen- und ein
Brunnenhaus für die Wasserversorgung
gebaut, eine Wasserleitung gelegt, eine
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